Wie sitzt man richtig?

Jemandem wurde das folgende Bild von einem Auftraggeber zugeschickt als Teil eines Vertrages für einen Auftrag. er wollte wissen, ob man so sitzen muss, damit man möglichst wenig Probleme mit der Arbeit hat.

Ich denke, so sitzen Sie nie. Und sie sollten nicht so sitzen. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die oberste Bildschirmzeile leicht unterhalb der waggrechten Sehachse liegen soll. Der Unsinn entstand durch das folgende Bild, das darstellen sollte, dass man die Benutzer nie zwingen sollte, den Blick über die Horizontale zu erheben. Das Bild stand nicht allein, in dem Text stand, dassdie Höhe eine Maximalposition darstellt.

Die richtige Höhe und Neigung des Bildschirms konnte seinerzeit nicht empfohlen werden, weil die Bildschirme enorm sperrig waren. Zudem wurde eine Neigung des BIldschirms nach vorne empfohlen (auch im oberen Bild zu sehen), weil die Bildschirmoberflächen glänzten. Wäre das obige Bilf von der BITKOM richtig, dürfte man nie mit einem Laptop arbeiten.

Die Ursache der Misere wurde vor 44 Jahren gezeichnet. Vielleicht kann BITKOM mal etwas Moderneres zeichnen. Die eingezeichnete Haltung födert Nackenschmerzen und Augenbeschwerden. Die richtige ist in DIN EN 9241-5 angegeben. Mit heutigen Monitoren kann man sie auch einhalten. Der Bildschirm sollte möglichst etwa 35º geneigt sein und möglichst tief über dem Tisch angeordnet werden.

Darf man eine Gefährdungsbeurteilung anhand von Normen erstellen?

Bei dieser Frage werden  viele sich fragen, wonach denn sonst? Wenn ich denn Normen befolgen muss, warum nicht danach urteilen, ob an einem Arbeitsplatz die wünschenswerten Zustände herrschen? Diese Einstellung steckt hinter vielen „Verfahren“, die als Methode zur GB verteilt oder verkauft werden. Sie wäre auch richtig, wären die Gefährdungsfaktoren voneinander unabhängig behandelbar. So z.B. Möblierung und Belüftung eines Raumes.

In der Praxis kann man sehr schnell feststellen, dass nicht nur Möblierung und Belüftung, sondern auch noch die Beleuchtung und Akustik von Arbeitsräumen gegenseitig beeinflussen. Dieses Bild zeigt den Umstand deutlich, obwohl es Luftqualität und Akustik nicht abbilden kann.

Hier wurde wegen akustischer Maßnahmen der Raum mit Schallschirmen unterteilt. Dadurch wird sowohl die Tagesbeleuchtung als auch die künstliche erheblich verändert. Die Luftzirkulation wurde teilweise unterbrochen. Auch die Einführung von Steh-Sitz-Arbeitsplätzen wäre sinnlos, weil dann die Akustik nicht stimmen würde.

An diesem Bild kann man auch erklären, warum es Sinn macht, eine GB durchzuführen und danach zu handeln. In nicht wenigen Fällen wird man die sichtbaren offenen Zellen aus akustischen Gründen brauchen. Dass diese die Luftzirkulation unterbrechen müssen, ist kein Naturgesetz. Man kann oder muss prüfen, ob dies der Fall ist. Zumindest die künstliche Beleuchtung kann man auf die Raumstruktur abstellen. Beim Tageslicht kann man Reflektoren vorsehen, die es besser nach innen bringen. Und für Steh-Sitz-Möbel kann man den Schallschirm am Tisch festmachen und mitverändern.

Ein solches Vorgehen kann viele unterschiedliche Ergebnisse bringen je nach Bedürfnissen der Arbeit und der Arbeitenden. Just das ist der Sinn der Sache. Einen Katalog abarbeiten, ob alle anwendbaren Normen erfüllt sind, ist eher eine lästige Pflicht denn eine anspruchsvolle Aufgabe. Obwohl … auch damit deckt man schöne Sünden auf.

Arbeitsmedizinische Vorsorge am Bildschirmarbeitplatz

Die Arbeitsmedizinische Vorsorge am Bildschirmarbeitplatz (s. AMR-14-1) besteht aus gutem Grund nicht aus einer Augenprüfung, wie ein Augenarzt dies üblicherweise bewerkstelligen würde. Es geht darum, den einzelnen Beschäftigten im Rahmen seiner Tätigkeit zu beraten bzw. Änderungen am Arbeitsplatz oder an den Arbeitsmitteln zu bewirken wenn nötig. Beispiel für solche Änderungen reichen von einer Anpassung der Sehentfernung oder der Schriftgröße bis hin zu einer Änderung des Arbeitsablaufs. Daher muss der mit der Vorsorge Beauftragte die realen Arbeitsplatzverhältnisse hinreichend kennen. D.h., es geht um die ärztliche Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen zwischen der Arbeit und der Gesundheit eines Beschäftigten.

Gemäß AMR-3-1 „Erforderliche Auskünfte/ Informationsbeschaffung über die Arbeitsplatzverhältnisse“ hat der Arbeitgeber dem nach § 7 ArbMedVV mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge beauftragten Arzt/der beauftragten Ärztin alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsplatzverhältnisse, insbe- sondere Anlass der jeweiligen Vorsorge und Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung, zu erteilen und die Begehung des Arbeitsplatzes zu ermöglichen.

Der Arzt oder die Ärztin im Sinne des § 7 ArbMedVV ist nach § 6 Absatz 1 Satz 2 ArbMedVV verpflichtet, sich vor Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorge die notwendigen Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse zu verschaffen. Die Inhalte der Informationen werden allgemein in der AMR-3-1 aufgezählt. Je nach Tätigkeit können hiervon welche unberücksichtigt bleiben.

Was eine angemessene Untersuchung ist, wird in der AMR-14-1 geregelt. Diese wird staatlicherseits vorgegeben. Die ältere Vorgehensweise, die in den 1980er Jahren von der VBG eingeführt wurde (Grundsatz G 37) wurde vom DGUV aktualisiert und als DGUV-I 250-007 herausgegeben (hier). Darin sind Kommentare und Hinweise für den Unternehmer enthalten. Anzumerken ist, dass die Information für „Bildschirmarbeit“ gilt. Diese ist zum einen nicht definiert derart, dass man daraus Gefährdungen ableiten könnte. Zum anderen ist die Information auf Büroarbeit zugeschnitten. Dies deckt sich nicht mit dem Geltungsbereich der ehemaligen BildscharbV und der jetzigen ArbStättV. Bildschirmarbeitsplätze können überall im Arbeitsleben betrieben werden.

Software und Arbeitsschutz

Nicht wenige Fachleute sind überrascht, in der ArbStättV das Wort „Software“ zu lesen.  Was hat Software mit dem Arbeitsschutz zu tun? Überrascht sollte man allenfalls sein, diesbezügliche Anforderungen in der ArbStättV zu finden. Die regelt doch Gestaltung und Betrieb von Arbeitsstätten?

Die Auflösung des Rätsels ist einfach wie unverständlich. Deutschland muss die Bildschirmarbeitsrichtlinie der EU in deutsches Recht umsetzen. Dies geschah im ersten Schritt mit der BildscharbV (Bildschirmarbeitsverordnung) von 1996. Damals konnte man noch Büro- und Bildschirm-Arbeitsplätze unterscheiden. Dennoch war die Lösung nicht sinnvoll, hatte man in Deutschland schon 1980 Sicherheitsregeln erlassen, die davon ausgingen, dass über kurz oder lang alle Arbeitsplätze mit Bildschirmen ausgestattet würden. Dies ist nunmehr weitgehend erreicht. Daher wurde die BildscharbV in die ArbStättV integriert.

Die EU-Bildschirmrichtlinie enthält aber anders als andere Anforderungen an die Beschaffenheit der Arbeitsmittel (Software, Bildschirme, Tastaturen etc.). So kam es unbeabsichtigt dazu, dass man in der ArbStättV nicht nur Anforderungen an die Beschaffenheit von Software findet, sondern auch zu brisanten Themen der Arbeitsgestaltung wie

„(5) Eine Kontrolle der Arbeit hinsichtlich der qualitativen oder quantitativen Ergebnisse darf ohne Wissen der Beschäftigten nicht durchgeführt werden.

An der Anforderung kann man zwar nichts aussetzen, aber an der Platzierung. Ansonsten ist Software nachweislich stärker an psychischen Belastungen beteiligt als fast alle anderen Belastungsfaktoren. Ihre Berücksichtigung muss gemäß ArbSchG §4 grundsätzlich erfolgen: „Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: … 4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; …“

 

Warum es unterschiedliche Angaben zu Beschwerden gibt …

Wer Angaben wie hier bei verschiedenen Quellen vergleicht, z.B. die Häufigkeit des Auftretens von Kopfschmerzen, wird sich wundern, warum sie bei der einen Befragung 36 % beträgt, bei der anderen gar 69%. Wo liegt der Fehler?

Eigentlich handelt es sich nicht um einen Fehler. Denn die angeführten Zahlen für „häufiges“ Auftreten und „manchmal“ kann ein Autor zusammenzählen. Das gilt für Augenbeschwerden bei Bildschirmarbeit genauso wie die Zufriedenheit mit der Arbeit.

Aber auch ohne ein solches Vorgehen gibt es zuweilen enorme Unterschiede. So kann man z.B. auf die Frage „Sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden?“ bis 90% Ja-Stimmen bekommen, oder zu einer stark abweichenden Schlussfolgerung gelangen, wenn man diverse Fragen zur Arbeitszufriedenheit zusammen zählt und die Unzufriedenen summiert. So hatte ich für Arbeitsstühle bis 90% positive Stimmen bekommen, wenn die Frage etwa lautete „Haben Sie einen guten Stuhl?“ Fragt man nach diversen Eigenschaften, die einen guten Stuhl ausmachen, so etwa nach Sitzgefühl, Sitzkissen, Armlehnen etc.,  werden etwa 50% mit Allem zufrieden sein. Beim gleichen Stuhl, wohlgemerkt.

Deswegen muss man Ergebnisse unterschiedlich lesen, je nachdem wie gefragt wurde. Strenggenommen kann man nur Ergebnisse vergleichen, die mit dem gleichen Fragebogen erzielt worden sind. Ansonsten gilt „Je pauschaler die Frage, desto höher die positiven Antworten. Allerdings nur in Arbeitsumgebungen, die einigermaßen erträglich sind.

Besonders vorsichtig mit Daten muss man sein, wenn der Autor oder jemand anders sie bewertet wiedergibt. So etwa „69% der befragten leiden unter Kopfschmerzen“.  Gefragt war aber, ob jemand Kopfschmerzen hat – häufig – manchmal – nie. Der berühmte Spruch „Ich glaube nur Statistiken, die ich selber gefälscht habe“ ist eine hohle Phrase. Meist werden sie mißbräuchlich gedeutet. Davon lebt übrigens die ganze Wirtschaftspresse seit 1786 dem Erscheinen dieses Bildes.